von Herrn Prof. Dr. Peter Busch, Leiter des ortsansässigen Predigerseminars der Evangelischen Kirche der Pfalz:
Kapelle des Butenschoencampus Landau/Pfalz
Im Rahmen der baulichen Erweiterung des Protestantischen Bildungszentrums der Evangelischen Kirche der Pfalz wünschten die Nutzer der verschiedenen dort angesiedelten Einrichtungen einen integrierten Kapellenraum. Als Kooperationspartner für die künstlerische Gestaltung des Innenraums konnten Studierende des Instituts für künstlerische Keramik und Glas der Hochschule Koblenz gewonnen werden.
Über einen Zeitraum von 2 Jahren wurde in einem intensiven Bildungs - und Entwicklungsprozess – fachlich unterstützt und moderiert von Birgit Weindl, der Kunstbeauftragten der Evangelischen Kirche der Pfalz - der Raum mit den beiden Künstlerinnen Lena Trost und Michele Janata realisiert.
Oszillieren statt Schreiten
Ich betrete die neue Kapelle, deren Innenraum von Lena Trost konzipiert wurde und bleibe im Eingangsbereich stehen: anhalten…, ich atme durch und nehme den intensiven Duft frischen Holzes wahr. Es stammt von dem Mammutbaum, der vor zwei Jahren dem Kapellenbau weichen musste. Er lebt in den Bodenelementen, den Hockern und vor allem im Altar fort. Sein Holz wurde zu diesen Elementen geformt. Längst tot, und trotzdem lebendig. Hier ist eine Dialektik spürbar, eine Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem. Mit dauerndem Fortschreiten hat das nichts zu tun.
Diese Kapelle atmet eine andere Dynamik, und hierbei assoziierte ich einen Zentralbegriff von Schleiermachers Theologie: Oszillation. Die ständige, lebendige Bewegung zwischen zwei Extremen einer Dimension. So wie das geölte Holz des Altars, der auf dem spiegelnd-geschliffenen Betonestrich steht. Hartes und Weiches, Belebtes und Unbelebtes, Lichtgebendes und Lichtschluckendes – und das alles gleichzeitig. Oszillation.
Die Ostwand hinter dem Altar – ein Chorraum ist durch die Wandaussparung angedeutet – ist durch einen Vorhang aus 1680 weißschillernden Glasfäden sichtbar, die altkirchliche Lichtmetaphorik grüßt an der Christusseite des Sakralbaus. Durch diesen hindurch schaue ich auf ein Kreuz, sichtbar, aber gleichzeitig in seiner farblichen Angedeutetheit verschwindend im Ganzen der Wand. Auch dieses Kreuz oszilliert zwischen Gewissheit und Ahnung, videmus nunc per speculum in aenigmate, „wir schauen gerade durch das Spiegelnde die Ähnlichkeit“, wie es Paulus in 1.Cor 13 ausdrückt: Eine Ahnung des Kreuzes durch das Glasvorhangspiel.
Die dezente Präsenz von Kreuz und Altar wird durchspielt vom Licht der polychromen Glasfenster der Künstlerin Michele Janata, die säulenhaft den Fenstern vorstehen. Diese oszillieren in zeitlicher Dimension zwischen alt (Antikglas) und neu (dichroitisches Glas) einerseits und in ihrer substantiellen Dimension andererseits, wie sie sich in ihrem Rausch warmer, kräftiger Farben auf Boden und Wand abbilden. Mein Blick gleitet über sie und ihr Farbspiel, wenn ich mich nun zur dem Altar gegenüberliegenden Westwand wende. Diese gibt mir Raum indem sie sich bogenförmig vor mir zurückzieht. Ich schaue auf sie als auf einen Halbkreis, und in diesem sind kleine kreisrunde und mit Glaseinsätzen geschlossene Öffnungen zum Sternbild des Fisches geordnet. Der Fisch, das urchristliche Bekenntnissymbol, wird durch das himmlische Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes nach Mt 17 explizit: „Dies ist mein lieber Sohn, an den ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!“ Der Wortlaut dieser Himmelsstimme aus der biblischen Metamorphose, der Verklärung Jesu, bezeugt die Oszillation zwischen Irdischem und Himmlischen und knüpft dabei wieder mit der astralen Dimension des Sternbildmotivs an.
Ich gehe an dieser Wand entlang, bis mich eine Störung im perfekt geschliffenen Betonfußboden anhalten lässt. Eine Aussparung, octogonal, wie ein orthodoxes Taufbecken en miniature, und weißen, gebrochenen Marmor enthaltend. Die Tauferinnerungsstelle. Ein verstohlener Blick nach links und rechts, ich bin allein, ziehe Schuhe und Strümpfe aus und stelle mich mit nackten Füßen auf den kalten, unbequemen Stein. Baptizatus sum, „ich bin getauft“, so denke ich, so wie es sich Luther immer wieder in Erinnerung rief und dabei die christliche Oszillation zwischen existentiellem Menschsein und essentieller Geschöpflichkeit auf den Punkt brachte. Diese Kapelle ist ein Ort, sich dieser oszillierenden Spannung – wort-wörtlich – zu stellen.
Ich spüre dem noch etwas nach, dann trete ich wieder auf den Betonboden, ziehe Strümpfe und Schuhe an und verlasse die Kapelle. Für die Zeit meines Besuches dort war die Zeit stehen geblieben, ich hatte mich auf diese Dynamik des Gegensätzlichen und die Oszillation zwischen Immanentem und Transzendenten eingelassen. Nun bin ich wieder außerhalb und beschleunige meine Schritte durch das Tagungshaus. Jetzt ist wieder Alltag.
Prof. Dr. Peter Busch, Leiter des Predigerseminars der Ev. Kirche der Pfalz/ Landau
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